Dienstag, 28. August 2007
die leiden des mittelalten werther, pt. 1

<d:> n. hat sich wieder bei uns einquartiert
<d:> sitzt in s.' zimmer und gibt vor, zu arbeiten
<d:> obgleich er sich lediglich mit dem durchsehen meiner festplatte beschaeftigt.
<d:> und hin und wieder mal noergelt, dass er kein geld mehr besitze.
<k:> ein wenig wie werther im kapitalismus.
<d:> nur, dass er nicht mehr jung ist.
<d:> aber dafuer mehr leidet...hm.
<k:> für wahr. mittelalt, ledig und arm sucht zeitvertreib
<k:> ist 'ne super story. wir nennen es "werther II - ein tag voll leid"
<d:> erst das buch, dann der film - ist klar.
<d:> mit dem film dann aggressives merchandising
<k:> oder "light", wenn cola oder pepsi sponsorn
<k:> aggressiv ist wichtig
<k:> viel grelle farben und viele ipods im film
<d:> mit allem drum und dran: actionfiguren, computerspiele, kaffeetassen
<k:> apple, 80er-klamotten und jacky
<k:> das kommt bei den kids an
<k:> vielleicht könnte der film auf einer flatrate-party beginnen
<k:> der held in der ecke, allein, ohne geld, betrunken, die anderen feiern und tanzen, viele hübsche frauen und ein ipod (bezüglich aggressiven merchandisings)
<k:> dann ein kurzer monolog, der für den künstlerischen ausdruck rückwärts abgespielt wird, dann wieder 15 minuten die leicht bekleideten frauen (eine zieht sich fast aus), dann cut: s.' zimmer: dunkel, aus dem gulli vor der tür steigt rauch auf, eine festplatte, ein bon-jovi-poster für die popkultur
<d:> irgendwas stimmt hier nicht. naja.
<k:> das denke ich mir auch oft.
<d:> namedropping und productplacement sind jedenfalls von zentraler bedeutung fuer den film.
<d:> es wird ein popkulturelles manifest.
<d:> zeitgenoessisch und doch zeitlos.
<k:> vielleicht sollten wir n. umbenennen, so von wegen schweden. der norden kommt ja gerade ganz groß.
<k:> viele anspielungen auf musik, computer und die ausweglosigkeit der heutigen mittelalten.
<k:> wir sollten auch angelina jolie auftreten lassen, aber nur in eier nebenrolle. so als kritik an hollywood.
<k:> vielleicht als klodame
<d:> mh. ist vielleicht zuviel des guten. man wuerde es vielmehr als hommage an hollywood verstehen.
<k:> vielleicht mit ihren adoptierten kindern, die die toiletten putzen.
<k:> dann eher als kritik am kapitalismus
<d:> ohja, das waere allerdings fantastisch: jolies bangladesch-kinder aus borneo putzen das klo und werden vom protagonisten noch angepoebelt.
<k:> da hast du wohl recht: wir verkleiden sie als alte transe. dann denkt jeder, die regisseure seien schwul
<d:> wichtig ist noch der komplex "mittelalt": hip, globalisiert und trotzdem den anschluss verloren.
<k:> kommt gut an auf kleinen filmfestivals.
<d:> ja, kleine festivals. wenn sich die grossen melden sollten, bekommen sie einfach keine antwort. independent 4ever, rufen die mittelalten dann laut.
<k:> deswegen superhippes outfit, web2.0 und trendi musik, aber der hartz4-wisch groß im bild.
<d:> hartz muss thematisiert werden, klar. genauso die amigo-affaere und lustreisen nach tschechien mit brasilianischen prostituierten fuer betriebsratsmitarbeiter.
<k:> so von wegen: andere haben es zwar geschafft, aber sind sich selbst nicht treu geblieben.
<d:> genau. unser held im spannungsfeld zwischen moral und bedingungslosem erfolgsdruck.
<d:> fast schon kaestneresk
<k:> was hällst du von der fortsetzung: werther III - der konflikte überzahl
<d:> schoener titel. hauptsponsor: die deutsche bahn ag.
<k:> und auf dem plakat: wIII - mehr kritik geht nicht.
<k:> wenn die db sponsort drehen wir 90% in schnellen zügen. das betont die entrücktheit des helden (auch eine schöne anspielung auf bahnwärter thiel)
<d:> klingt fantastisch. entrueckt ist er ja nun allemal, der protagonist.
<k:> und l. ist schaffner: eine hommage an kafka
<d:> alkholisierter schaffner - das bringt ein weiteres kritisches moment mit ein.
<d:> die flucht in den alkohol als ausweg einer ganzen generation. l. als prägnantes sinnbild des ueberforderten nichtmehr-mittelalten...
<k:> wir sollten auch die 3.-reich-debatte nicht ausser acht lassen: betrunken in reichswehr-uniform
<d:> tatsaechlich.
<k:> und statt bewältigung alkohol. das gibt diskussionen.
<d:> vielleicht ruft das auch die gewerkschaften auf den plan. wir sollten uns auf heftige auseinandersetzungen gefasst machen.
<k:> gleichzeitig findet ein casting für dsds statt. der held erreicht die dritte runde, muss dann aber wegen psychoterror abrechen. spannungsbogen, gute musik und dieter bohlen. so erreichen wir die unter-12jährigen.
<k:> ausserdem findet das casting in der ersten klasse statt: konfrontationen mit dem schaffner sind garantiert.
<d:> ich koennte mir vorstellen, dass der held dann aber doch von ralph siegel unter vertrag genommen wird und beim grand prix mitmacht.
<d:> dann haetten wir das publikum 60+ auch noch mit im boot.
<d:> beim grandprix-auftritt, der selbstverstaendlich einen platz im hinteren mittelfeld - oder aber den letzten - belegt, tanzt im hintergrund eine taenzergruppe mit schaffnerkostuemen und cheerleading-puscheln in rotweissblau [uniformismus, etatismus und subtile amerikakritik]
<k:> um nicht zu aufgesetzt zu wirken müssen wir aber auch ein paar ehrliche anklänge in unseren kulturellen hintergrund einbauen. ich dächte da an ein paar ausschnitte von beatclub oder rockpalast und vereinzelte "echte" figuren, die von angetrunkenen laienschauspielern übernommen werden. man könnte eine karnevalszene machen, in der der held als "geteiltes deutschland" auftritt mit zwei orangen in der hand (so von wegen "wir aus dem westen"), um dann von laien in eine schlägerei verwickelt zu werden.
<k:> er wird niedergeschlagen, dann cut: die preisverleihung beim grandprix - er geht leer aus, bis auf einen korb mit früchten (mit orangen, man beachte die symbolik), dann cut: aftershow-party: alle tanzen, der held liegt in der ecke und ist betrunken, der gleiche monolog wie am anfang, diesmal teils rückwärts, teils unverständlich (als zeichen seiner gespaltenen persönlichkeit)
<k:> dann das zimmer, der computer mit der festplatte hat einen systemabsturz (technikkritik) und spielt nur noch ndw - ein zeichen des machtlosen menschen in der computerzeit. nach 15 minuten "ein bett (vielleicht eine überarbeitete fassung mit "beet", als anklang an die schrebergartenkultur) im kornfeld" verlässt er den raum und trinkt bier. dieter bohlen und die anderen gesellen sich zu ihm. er kriegt zwar keinen preis, aber sie unterhalten sich über popmusik.
endlich die erlösenden kurzen und der whiskey. sie trinken längere zeit, teilweise betretendes schweigen über die
misserfolge des helden, dann gehts los in einen club - erneut flatrateparty (parabel!), alle trinken und tanzen, viele halbnackte frauen, der held liegt in der ecke und ist betrunken (mittlerweile identifiziert sich der zuschauer vollends mit ihm, eine vertraute situation) derselbe monolog, aber diesmal gesprochen von einem beliebten volksmusiker (man will ja auch die große masse ansprechen).
<k:> ralph siegel tritt auf und engagiert den volksmusiker wegen der treffenden worte, der held ist wiedereinmal um seinen erfolg betrogen worden. aber wegen seines suffs registriert er es nicht und versucht sich an mixgetränken, hier ein kleiner abstecher in die trinkkultur. dann laute musik, alle tanzen, die frauen ziehen sich für die quote aus. alle jubeln.
<k:> dann fuffisimclub für die kleineren
<k:> im publikum
<k:> wichtig ist auch die kameratechnik, wo sich alles dreht: die grandprixszene mit puschelhäschen und schaffner (vielleicht könnte auch l. zum zeichen der verwirrung des helden ein puschelschwänzchen tragen), alles verschwimmt, dazwischen die stimme der mutter des helden: trink' nicht so viel, denk' an beruf und erfolg, achte die tradition... im traum kommen noch mehr puschelhäschen vor (also noch mehr amerikakritik und einschaltquoten), dann tanzen bush und michael moore - mit puschelhäschenkostümen - den foxtrott (ein intergeneratives aufbegehren), dann bugsbunny und helmut kohl (kritik der internationalen beziehungen)
<k:> gerade wird mir die enorme bedeutung von puschelhäschenkostümen für kulturkritik bewusst. der nachfolger sollte also eher heissen: WERTHER II - ein tag voller leid und puschelhäschen...

to be continued...

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