Dienstag, 21. November 2006
der muff von 1000 jahren (III)

montag. seminar 14-16h. thema: die anfaenge des sozialstaats in nordamerika im 19. jahrhundert. gewinnerthema. abgesehen vom thema scheinen auch die teilnehmer samt und sonders auf der gewinnerseite zu stehen. die beiden jungen damen, die mit der leitung der heutigen sitzung betraut worden sind, gehören definitiv auch dazu. die eine ist blond und aehnelt einer ungeschminkten barbara rudnik nach 2 schachteln gitanes und einer flasche bombay-saphire. die andere ist sehr klein, traegt dunkles haar, das entweder sie selbst oder ihre mutter (sie wohnt bestimmt irgendwo im umkreis und "pendelt 'rein") stutzt und ist bekleidet mit einem beigen fruit-of-the-loom-pullover, der etwas zu gross ist und daher am hals schief sitzt. die schulternaht endet etwa am ellebogen. das handout der beiden strotzt vor rechtschreibfehlern. der dozent kringelt ein, unterstreicht, markiert am rand. hauptseminar. waehrend die beiden also nervoes versuchen, die auf dem handout notierten stichpunkte etwas anders zu formulieren damit es nicht so klingt, als haette man ausser dem niedergeschriebenen nichts weiter recherchiert, besichtige ich den gewinner schraeg vor mir. derselbe traegt eine gruen-schwarze schlabber-trainingsjacke, blaue jeans, jogging-schuhe, eine cap auf der "france" steht, brille und den mund staendig geoeffnet. dazu feinhaarschnurri und langes, fettiges haar, das er auf der rueckseite der groessenverstellbaren cap durch dieselbe hindurchgefuehrt hat. neben ihm sitzt der mann mit der helmigsten frisur des seminars - auch er ein absoluter abraeumer. die frisur schuetzt ihn gegen gefahren von aussen und der kackbraune h&m-grobripp-pullover vor allem anderen. ploetzlich oeffnet sich die tuer des seminarraums, der eigentlich keiner ist, sondern vielmehr eine bibliothek, die hastig und provisorisch mit stuehlen und tischen ausgestattet wurde. es tritt ein der langhaarige mit brille und metal-baertchen, der immer zu spaet kommt. der dozent sagt: aus gegebenen anlass mache ich noch einmal darauf aufmerksam, dass wir um 14:15 uhr beginnen. er wuerdigt den langhaarigen mit brille, der in seinem ruecken den raum betreten hatte, dabei keines blickes. rock. er spricht ausserdem durchgaengig in derselben tonlage, sagen wir fis-dur. er ist eigentlich emeritus, wurde aber qua personalmangels reaktiviert. ganz alte schule: er sagt "neuyork" und "nota optime". die referentinnen erklaeren dann, dass das mit den charity-organizations irgendwie mit der industrialisierung zusammenhaengt, weil seit beginn derselben - den sie 1870 (!) ansiedeln - ploetzlich ganz viel armut entstanden sei. so! dem dozenten gefaellt das nun gar nicht. er unterbricht und erzaehlt von der entwicklung der eisenbahn in den USA und betont des oefteren, dass er das nicht weiter ausfuehren wolle. mit dem spruch: "heute denkt man ja, die kartoffel waechst im supermarkt!" erntet er einige lacher. unter anderem das des sportsfreundes neben mir. farbenfrohe gruene zip-jacke, braune jeans und eine digitaluhr mit zahlentastatur, auf der man gegebenenfalls wichtige zahlenkombinationen einprogrammieren kann. die referats-girls lassen dann durchscheinen, dass sie einschlaegige literatur nicht eingesehen haben. der strebsamste seminargewinner korrigiert sie und zeigt immer dann auf, wenn das veroeffentlichungsjahr eines werkes gefragt ist. "das kapital" - 1867!, ruft er. "wohlstand der nationen" - 1776, genau wie unabhaengigkeit der USA! der "leviathan" - 1651! nachdem er die - stets korrekte - zahl genannt hat, lehnt er sich zurueck, fingert linkisch in seinen unterlagen herum und versucht dabei, aus den augenwinkeln reaktionen auf das gesagte zu erhaschen. dem dozenten wird ploetzlich bewusst, dass einen grossteil der gewinnenden seminarteilnehmer nichts oder nur wenig ueber vitale staatsinteressen im 19. jahrhundert wissen und fuehrt hebt die wichtigkeit von kohle und stahl hervor - wie mein alter deutschlehrer, der, unabhaengig vom thema, in jeder stunde darauf hinwies, dass es im interesse eines jeden staates liege, so viele kanonen wie moeglich zu besitzen. der herr neben mir notiert mit seinem montblanc, den er zuvor aus einem lederetui mit seinen initialen darauf, gezogen hatte, wichtige notizen in sein moleskine. rot-weiss kariertes hemd mit dem reiter, braune cord-hose, timberlands. burberry-schal und barbour-jacke hatte er abgelegt. bierjunge! haengt! spiel, satz und sieg.
die sitzung geht dem ende zu. der dozent beanstandet jetzt all jenes, was er zuvor im paper der damen markiert hatte. rechtschreib-, form- und inhaltliche fehler. die etwas kleine, dunkelhaarige scheint mit den traenen zu kaempfen. der voellig verheizte barbara-rudnik-abklatsch leidet an nervositätsflecken am hals. der dozent sagt, dass man an den vortraegen noch arbeiten muesse und dass die herren x und y in der naechsten sitzung dazu gelegenheit bekaemen. ohne das obligatorische raunen erheben sich die gewinner und verlassen den raum.
man moechte die arme in die luft reissen und den aufbrandenden applaus geniessen.

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der prof klingt verdammt schrullig, aber absolut genial. die alten sind mir ja die liebsten.
bei uns gibt´s übrigens noch studis, die ihre handouts mit der schreibmaschine tippen. tippex kopiert sich nur leider so mies. *kreisch*

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schrullig trifft's wohl. z.b. verlaengert er jeden aussagesatz kuenstlich dadurch, dass er "will sagen:" anhaengt und ihn danach noch einmal anders formuliert. die sitzungen ziehen sich dann manchmal etwas...

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